Oberstes US-Gericht – grünes Licht für Zensur

Bis vor kurzem konnte man in den USA davon ausgehen, dass die Exekutive durch den Ersten Verfassungszusatz daran gehindert wird, Unternehmen in sozialen Medien anzuweisen, die veröffentlichten Inhalte zu zensieren.

Der Supreme Court der USA hat nun mit 6:3-Mehrheit entschieden, die Kläger in der Rechtssache Murthy gegen Missouri, zwei Bundesstaaten und fünf Einzelpersonen, seien nicht befugt, Ansprüche in Zusammenhang damit geltend zu machen, dass die Regierung Social-Media-Plattformen zur Zensur unabhängiger Meinungsäußerungen gezwungen hat. Sie hätten nicht nachgewiesen, dass sie dadurch persönlich geschädigt wurden. Daher fehlte den Klägern die Klagebefugnis.

Richter Samuel Alito schrieb für die abweichende Meinung, es handele sich um einen „…der wichtigsten Fälle der freien Meinungsäußerung, die das Gericht seit Jahren erreicht haben". Weiter erklärte er, die Beklagten hätten genügend Beweise vorgelegt, um die Verfassungswidrigkeit des Vorgehens der Regierung zu belegen, aber „das Gericht drückt sich vor dieser Pflicht und erlaubt so, dass die erfolgreiche Kampagne der Nötigung in diesem Fall als attraktives Modell für zukünftige Beamte steht, die kontrollieren wollen, was die Menschen sagen, hören und denken. Das ist bedauerlich.“

Im Umkehrschluss kann das Urteil im Extremfall bedeuten, dass die freie Rede so lange beliebig beschnitten werden darf, so lange einzelnen Personen oder Institutionen dabei kein Schaden entsteht oder in naher Zukunft entstehen wird.

Die Motivation der Gründerväter für das „First Amendment“ der US-Verfassung war die geschichtliche Erfahrung, dass der Schaden, der durch die Verletzung der Meinungsfreiheit entsteht, immer größer ist als der Schaden, der gelegentlich durch ungezügelte Meinungsäußerungen entstehen könnte.

Der erste Verfassungszusatz der USA lautet: „Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Einrichtung einer Religion betrifft oder die freie Ausübung derselben verbietet oder die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und bei der Regierung eine Beschwerde einzureichen, verkürzt.“

Wenn dem US-Kongress untersagt ist, ein Gesetz zu erlassen, das die freie Meinungsäußerung verbietet, warum ist dann die Exekutive befugt, die freie Meinungsäußerung zu verletzen, indem sie Führungskräfte der sozialen Medien anweist, dies in den großen öffentlichen Foren zu tun?

Die Verfassung, das höchststehende Rechtsgut, sieht die Redefreiheit als selbstverständlich an. Aber die Kläger in der Rechtssache Murthy gegen Missouri mussten Beweise für einen spezifischen Schaden vorlegen, der Ihnen entstanden ist, weil die Exekutive Social-Media-Unternehmen angewiesen hat, ihre Rede zu zensieren.

In ähnlich gelagerter Thematik rund um Zensurmaßnahmen in der Corona-Zeit sind in den USA weitere Fälle anhängig. In der Rechtssache Berenson vs Biden bei einem Bundesgericht in Manhattan geht es darum, dass das Weiße Haus und Pfizer-Offizielle Twitter 2021 unter Druck gesetzt haben, um Berenson wegen missliebiger Äußerungen zum Covid-Thema von Twitter zu vertreiben schon bevor die Plattform Berenson zensiert hatte.

Neue E-Mails und andere Nachrichten, die Berenson in den vergangenen Tagen von Elon Musk und X, ehemals Twitter, zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, dass das Weiße Haus im Juli 2021 nach Kontakten mit einem Direktor von Pfizer seine Zensurkampagne ausweitete. Der Druck von Twitter auf das Konto von Berenson wurde erhöht, einen Monat später wurde er wegen eines Tweets gesperrt, der, wie Twitter später zugab, nicht gegen die Regeln verstieß.

Weitere Klagen sind anhängig von Children’s Health Defense (CHD) u.a. gegen Meta/Facebook und die Trusted News Initiative (TNI). TNI, einschließlich Reuters, Associated Press und The Washington Post, wird vorgeworfen, Absprachen mit Big Tech getroffen zu haben zur Zensur von CHD und vielen anderen unabhängigen Nachrichtenagenturen. Außerdem vertritt CHD Ärzte, die von staatlichen Zulassungsbehörden daran gehindert werden, frei mit ihren Patienten und der Öffentlichkeit zu sprechen. Und schließlich geht es bei der Rechtssache Kennedy gegen Biden darum, Bundesbeamte davon abzuhalten, Social-Media-Giganten zu „ermutigen“, CHD zu vernichten.

Auch wenn die Entscheidung des Gerichts nur eine einstweilige Verfügung betrifft: Das Urteil im Fall Murthy gegen Missouri kann durchaus als Leitlinie in all diesen anhängigen Fällen gesehen werden. Überall geht es um die Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Covid-Zeit. Angesichts dieser bedauerlichen Entscheidung scheint für die Zensur der sozialen Medien ein Stück mehr ‚Feuer frei’ zu sein.

Die Bestrebungen in den USA sind nicht singulär. Zensur findet hier genauso statt, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wurde und wird verletzt.

Es ist tatsächlich so: Selbst völlig abstruse Meinungsäußerungen ziehen nicht so schwere Konsequenzen für die demokratische Verfassung nach sich wie die Beschränkung der freien Rede insgesamt. Nicht zufällig glaubt eine Mehrheit der Deutschen nicht mehr daran, sich frei äußern zu können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Dabei sollte die Redefreiheit in Demokratien ein selbstverständliches Gut sein.

Man kann es nicht oft genug zitieren – im Grundgesetz heißt es in Paragraph fünf: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Zwar nennt das Grundgesetz Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, so dass etwa der offene Aufruf zu physischer Gewalt nicht unter die Redefreiheit fällt. Aber ganz oben steht: Eine Zensur findet nicht statt.

Zensur wird etwa auch dadurch ausgeübt, dass der nahezu beliebig dehnbare Begriff der Hetze eingeführt wurde. Dabei wird der eigentliche Akt der Zensur ausgelagert an die großen Tech-Konzerne, eine besonders perfide Methode, wie sie etwa im Digital Service Act (DSA) der EU festgeschrieben wurde. Mittlerweile sollen auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze verfolgt werden – ein klarer Verfassungsbruch.

Und wofür das Ganze? Der nächste von der Regierung ausgerufene Notstand -sei es die Vogelgrippe, die Klima- oder eine andere angebliche Katastrophe- könnte schon bald bevorstehen. Da sollen missliebige Meinungen so weit wie möglich unterdrückt werden. Sie könnten dazu führen, dass die Bürger ins Zweifeln kommen.

Der eigentliche, andauernde Notstand ist die systematische Zerstörung demokratischer Prinzipien.

[Unter Verwendung von Material aus dieser, dieser und dieser Quelle; anderes ist im Text verlinkt]

Siehe auch: „Supreme Court Punts on Technicalities

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