Julian Assange ist frei

Julian Assange hat das englische Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh am Montag verlassen und dürfte mittlerweile als freier Mann auf dem Weg nach Australien sein.

Assange war mehr als fünf Jahre im Londoner Gefängnis eingesperrt, unter Bedingungen, die die Bezeichnung „Folter“ verdienen. Der frühere UN-Sonderbeauftragte Nils Melzer hatte schon 2019 Anzeichen von psychischer Folter bei Julian Assange festgestellt. Zuvor hatte er sieben Jahre Zuflucht in der englischen Botschaft von Ecuador gefunden, bevor er den englischen Behörden ausgehändigt wurde.

Dem Gründer der Enthüllungs-Platform WikiLeaks drohten im Falle einer Auslieferung an die USA 175 Jahre Haft. Er hatte u.a. Dokumente über Folter und andere Kriegsverbrechen seitens US-Truppen im Rahmen des Irak-Kriegs veröffentlicht.

Assange hat ein Abkommen mit den USA geschlossen, wonach er sich in einem Punkt der Anklage für schuldig bekennt. Dieses Abkommen soll am heutigen Mittwoch vor einem Gericht auf den Nördlichen Marianen, einem US-Hohheitsgebiet, besiegelt werden. Die Haftzeit in Belmarsh wird auf die Strafe angerechnet, so dass er dann ein freier Mann ist.

Assange räumt einen Anklagepunkt ein, den der „Verschwörung zur Verbreitung von Informationen über die nationale Verteidigung“ des US-Spionagegesetzes. Dies wird von verschiedenen Beobachtern, so etwa von „Reporter ohne Grenzen“ kritisch gesehen, weil es einen Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Fälle darstellen könnte und so die journalistische Arbeit empfindlich behindern würde.

Dem widerspricht der US-amerikanische Verfassungsrechtler Bruce Afran: „Ein Plädoyer ist kein Präzedenzfall. Bei einem Präzedenzfall handelt es sich um eine Entscheidung eines Berufungsgerichts zur Auslegung einer Rechtsfrage, die für künftige Fälle mit demselben Rechtsgrundsatz maßgeblich ist. Im Gegensatz dazu ist ein Geständnis lediglich eine faktische Zustimmung eines bestimmten Angeklagten, eine bestimmte Handlung begangen zu haben, bindet aber keine zukünftigen Angeklagten in ähnlichen Fällen. Wenn Julian zum Beispiel beschließt, seine Verteidigung gegen den ersten Verfassungszusatz fallen zu lassen und sich schuldig zu bekennen, bedeutet dies nicht, dass sich ein ähnlicher Angeklagter in der Zukunft in einem Spionagefall nicht auf den ersten Verfassungszusatz berufen kann.“

Ist Assange damit Gerechtigkeit widerfahren? Gerechtigkeit würde so aussehen, dass Assange vollständig und bedingungslos begnadigt wird und von der US-Regierung eine Entschädigung in Millionenhöhe erhält.

Gerecht wäre es, wenn die USA konkrete rechtliche und politische Schritte unternehmen, die sicherstellen, dass Washington seine weltumspannende Macht und seinen Einfluss nie wieder nutzen kann, um das Leben eines ausländischen Journalisten zu zerstören, weil er über unbequeme Fakten berichtet hat.

Gerechtigkeit würde so aussehen, dass die Leute, deren Kriegsverbrechen Assange aufgedeckt hat, verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden. Gerecht wäre es auch, wenn alle die strafrechtlich verfolgt werden, die dazu beigetragen haben, das Leben von Assange zu ruinieren.

Gerecht wäre es, wenn Assange überall in den Medien und insbesondere in senem Heimatland Australien als Vorbild gefeiert würde, der mutig dazu beigetragen hat, schwerste Verbrechen gegen Menschlichkeit und Völkerrecht aufzudecken.

Und natürlich wäre es gerecht, wenn sich die Redaktionen und Journalisten der Mainstream-Presseorgane bei Assange für ihre Untätigkeit oder ihre bösartige und verleumderische Berichterstattung entschuldigen.

Als einen von vielen, die über die ganzen Jahre die Sache von Assange in Deutschland mit aller Kraft unterstützt haben, möchte ich den Musiker, Komponist, Musikproduzent und Dichter Jens Fischer Rodrian erwähnen. Er hatte erst kürzlich, am 8. Juni 2024, das 6. Berliner Solidaritätskonzert für Julian Assange organisiert.

Dass Assange in Freiheit ist, ist wunderbar.

Sein Beispiel steht aber dafür, dass die freie, investigative Berichterstattung immer weiter erschwert wird. Mutige Journalisten laufen Gefahr, einen immer höheren persönlichen Preis zu zahlen.

Sein Beispiel steht jedoch auch dafür, dass es möglich ist, imperialistischen Kräften in den Arm zu fallen – durch nicht nachlassendes Engagement und Solidarität. Das dürfte auch der entscheidende Grund gewesen sein, weshalb die USA von ihrem Plan abgelassen haben, Assange zu vernichten. Auf nichts anderes wäre es hinausgelaufen, wenn er einem US-Gericht ausgeliefert worden wäre.

[Unter Verwendung von Material aus dieser und dieser Quelle; anderes ist im Text verlinkt]

Siehe auch: „"Julian Is Free!" Assange Released After 'Time Served' Plea Deal With DOJ, Departs For Home"
Siehe auch: „Wie WikiLeaks zum Staatsfeind wurde

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