S&P 500 – sollen die Bären das Handtuch werfen?

Der S&P 500 legt auf Wochensicht 1,3% zu. NDX und Nasdaq Composite gewinnen stärker, +2,5%, bzw. +2,4%. Der Dow gut behauptet mit +0,3%, ebenso der DAX. S&P 500, NDX und Nasdaq erreichten in der zurückliegenden Woche neue Allzeit-Hochs.

Die Ölpreise verlieren 2,3% (Brent), bzw. 2,4% (WTI). Der CRB-Rohstoffindex im Wochenvergleich knapp behauptet mit –0,1%. Gold verliert auf Wochensicht 1,6%, Silber schwach mit –4,0%. Der zurückliegende Freitag kostete Gold 84 Dollar (-3,5%), bei Silber waren es über zwei Dollar (-6,6%).

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Die US-Renditen uneinheitlich. Die der 10yr-TNotes verliert auf Wochensicht 1,4%, die der 2yr-TNotes mit +0,3%, die der 13wk-TBills knapp behauptet mit –0,2%. Der Dollar-Index fester, Euro/Dollar leichter mit –0,4%. Die Währungspaare Dollar/Yen und Euro/Yen geben ab mit 0,4%, bzw. 0,8%.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken verliert auf Wochensicht 3,1%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), verliert 1,4%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, gewinnt 3,2% und bestätigt damit die technologielastigen Indices Nasdaq und NDX.

Der Rendite-Spread am langen Ende nimmt im leicht positiven Bereich ab. Die Inversion der Zinsstruktur über das gesamte Spektrum nimmt zu und kommt auf -0,82. Die negative Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR kaum verändert. Die Erwartungen hinsichtlich einer baldigen Leitzins-Senkung scheinen auf mittlere Sicht unverändert eher zwei Zinsschnitte zu sehen.

Die EZB senkt den Leitzins um 25 Basispunkte. Wie erwartet und von den Finanzmärkten eingepreist, kommt der Einlagensatz nun auf 3,75%. Dies ist die erste Senkung seit 2019. Mit der Zinssenkung der EZB haben nun vier Zentralbanken der G10-Staaten eine Lockerung vorgenommen. Bei der EZB blieben jedoch explizite Hinweise auf die Aussichten aus, man will weiterhin eine „datenabhängig" agieren. Das enttäuschte Liquiditäts-Junkies.

Die US-Arbeitsmarktdaten für Mai „enttäuschten“ am zurückliegenden Freitag ebenfalls. Es wurden deutlich mehr Arbeitsplätze (nonfarm) geschaffen als erwartet. Zudem stiegen die Löhne stärker als erwartet. Also war die erste Reaktion der Aktienanleger, zu verkaufen. Dann besann man sich, der S&P 500 erreichte intraday ein neues Allzeithoch, es folgten Gewinnmitnahmen. Die Renditen am langen Ende stiegen kräftig an – 10yr-TNotes +0,147% bis an die EMA50. Die der 2yr-TNotes zeigte sich jedoch kaum verändert, sie gilt als Omen für die mittelfristige Entwicklung der Leitzinsen.

Die offiziellen Berichte zu den US-Arbeitsmarktdaten, resp. die Entwicklung der Arbeitsplätze, bieten Anlass für Zweifel. So wird etwa hier hergeleitet, dass der monatliche Bericht deren Zahl um bis zu 3,4 Millionen zu hoch ausweist.

Viele Anleger verfolgen die Einstellungspläne von Kleinunternehmen als Hinweis auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote. Wie der nachstehende Chart zeigt, sind die vom NFIB gemessenen Einstellungspläne von Kleinunternehmen rückläufig und haben in der Vergangenheit einen künftigen Anstieg der Arbeitslosenquote signalisiert (Chartquelle).

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Mag ja sein, dass aus all der Kaffeesatzleserei die Argumente für einen schwächeren Arbeitsmarkt allmählich überzeugender werden. Aber es ist normal, dass die Arbeitslosenquoten im Laufe eines Konjunkturzyklus ansteigen. Die wirklich großen Verschiebungen bei der Arbeitslosigkeit (mit deutlichen und anhaltenden Konsequenzen etwa für Aktienkurse) treten in der Regel aber nicht ohne einen wirtschaftlichen Schock auf. In der Tat waren seit 1966 Ölschocks, verschiedene Krisen oder auch „Schwarzer Schwan“-ähnliche Ereignisse verantwortlich für einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Der erste Wall-Street-Analyst, der es wagt, darauf hinzuweisen, dass der Beschäftigungskaiser nackt ist, ist der globale Leiter der Makroabteilung von Standard Chartered, Steve Englander. Er schreibt in einer Notiz mit dem Titel „Immigration leading to labor-market surge", dass seinen Schätzungen zufolge „die Hälfte des Beschäftigungswachstums in 2024 auf Einwanderer ohne Papiere entfällt." Er kommt zu dem Schluss, dass der anhaltende Anstieg der EAD-Genehmigungen (Arbeitsgenehmigung für Immigranten) wahrscheinlich das Beschäftigungswachstum im Jahr 2024 stützen wird. Mit anderen Worten: Das Beschäftigungswachstum für amerikanische Bürger war und bleibt ein Hirngespinst. Das einzige Beschäftigungswachstum in den USA ist für Illegale, die für weniger als den Mindestlohn arbeiten. Das erklärt auch, warum die Inflation nicht in die Höhe geschnellt ist.

Die divergente Reaktion von Aktionären und Bond-Playern auf den Arbeitsmarktbericht dürfte darauf hindeuten, dass der Fokus nicht so sehr auf dem Arbeitsmarkt liegt, sondern auf der Inflationsentwicklung. Fed-Chef Powell hatte schon angedeutet, dass nur eine „unerwartete" Schwäche des Arbeitsmarktes eine politische Reaktion erforderlich machen würde; dafür gibt es weiterhin kaum Anzeichen. Und so wird der für kommenden Mittwoch anstehende CPI-Bericht für Mai ein weitaus bedeutenderes Ereignis sein. Der Kern-CPI war im April auf Jahresbasis auf einen Tiefststand von fast drei Jahren gefallen.

Was das oben angesprochen Stichwort „Schock“ angeht, so steht der US-Bankensektor eindeutig vor ernsten Problemen, zu denen unter anderem eine sinkende Rentabilität und Kreditqualität gehören. Insbesondere der gewerbliche Immobilienmarkt dürfte mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, die durch das anhaltend hohe Zinsniveau noch verschärft werden. Diese Umstände werden unweigerlich zu weiteren Zahlungsausfällen, Ausfällen und sinkenden Immobilienwerten führen. Der Bericht der „Federal Deposit Insurance Corporation“ (FDIC) für das erste Quartal macht darüber hinaus deutlich, dass die gesamten nicht realisierten Verluste in Höhe von 516,5 Mrd. Dollar um 38,9 Mrd. Dollar höher sind als im Vorquartal. Der Grund für diesen Anstieg liegt bei hypothekarisch gesicherten Wertpapieren für Wohnimmobilien. Die Hypothekenzinsen sind im ersten Quartal gestiegen und setzten die Preise für solche Anlagen unter Druck.

Für die Inflationsentwicklung haben die Störungen der globalen Handelsrouten wie des Panamakanals und des Suezkanals eine Bedeutung. Dies gilt auch für die potenzielle Entdollarisierung in Südostasien und darüber hinaus. Faktoren, die den Inflationsdruck erhöhen.

Die durch die verlängerten Handelsrouten nach oben gedrückten Frachtraten für Schiffscontainer zeigt der folgende Chart. Sie sind im Jahresvergleich um 151% gestiegen und liegen fast doppelt so hoch wie die Durchschnittspreise vor „Corona“.

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Letztlich ist es nicht einmal die Inflation alleine, die Investoren im Auge behalten sollten, sondern die Frage, wie sich in Bezug hierzu die gesamte Wirtschaftsleistung entwickelt. Der GDPNow-Indikator zeigt eine relativ gute vorlaufende Entwicklung des realen BIP. Er ist im Verlauf des Mai von 4% Schätzung für das zweite Quartal auf nun unter 2% zurückgegangen. (Mit den neuesten Daten der zurückliegenden Woche ist der Index wieder etwas angestiegen – siehe hier; die Funktionsweise des GDPnow-Indikatore ist hier erläutert)

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Es ist die Dynamik dieser Entwicklung, die wachsam machen sollte. Die Kombination von inflationären Kräften und schwachem Wirtschaftswachstum ist das eigentliche Gift für die Entwicklung der Unternehmensgewinne und damit auch der Aktienkurse – Stagflation.

Der Verlauf des ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes unterlegt die verhaltenen Aussichten für die US-Wirtschaft. Er ist im Mai im Kontraktionsbereich weiter abgesunken, die Sub-Indices für Auftragseingang und Preise zeigen sich schwach.

Was wird die Fed also mit ihrer Geldpolitik tun? Die Mehrheit der Beobachter sieht den ersten Zinsschnitt nach wie vor nicht vor September. Ich wäre nicht besonders überrascht, wenn ein solcher bereits im Juli erfolgen würde.

Mittlerweile haben sich in US-Geldmarktfonds 7,3 Bill. Dollar angehäuft. Ist das die „potenzielle Energie“, die sich über „FOMO“, Fear of missing out (Angst, etwas zu verpassen), in den Aktienmarkt entlädt (Chartquelle)?

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Experten der Anleihebranche haben vor den schwierigen fiskalischen Aussichten der USA gewarnt und prognostiziert, dass die steigende Staatsverschuldung zu höheren langfristigen Renditen bei Staatsanleihen führen wird. Auf einer Podiumsdiskussion auf dem ISDA/SIFMA Treasury Forum äußerten die Experten ihre Besorgnis darüber, dass keine der beiden politischen Parteien bereit ist, die steigende Verschuldung in Angriff zu nehmen, und prognostizierten, dass sie bis 2034 48 Bill. Dollar erreichen könnte. „Unabhängig vom Wahlergebnis ist die fiskalische Richtung in fünf bis zehn Jahren nicht komfortabel", sagte Jason Granet, Chief Investment Officer bei BNY Mellon.

Tichys Einblick: „So schlecht wie jetzt war das Ansehen Deutschlands bei ausländischen Investoren noch nie", resümiert Theodor Weimer, Chef der Deutschen Börse. „Ich sage Ihnen das, was die guten Investoren mir sagen, die schütteln den Kopf…“ Sie sind hochverunsichert. Niemand im Ausland versteht Habecks Wirtschaftspolitik. Theodor Weimer berichtet: „Ich hatte inzwischen mein 18. Treffen mit unserem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck hinter mir und ich kann Ihnen sagen, es ist eine schiere Katastrophe.“ Investoren verlangen, so der Chef der Deutschen Börse, inzwischen eine Risikoprämie, wenn sie investieren, früher gab es dagegen einen Risikodiscount, weil Deutschland stabil in der Wirtschaftsleistung und im Rechtssystem war. (…) In den letzten 30 Jahren generierte der Welthandel, die Globalisierung das Wachstum, doch das habe sich geändert, denn in den nächsten 20 Jahren würde das Wachstum durch die Technologie getrieben. Diese Entwicklung hätten wir vollkommen verschlafen. Die Autoindustrie wird politisch zerstört, dabei sei sie das wirtschaftliche Rückgrat der deutschen Wirtschaft. (…) Und dann richtet Theodor Weimer einen bewegenden Appell an die Unternehmer: „Wir müssen eine private Economy werden, wo die Unternehmer wieder sagen, wir machen nicht mehr mit. Der Staat wird es nicht richten, ausländische Investoren ziehen sich zurück.“ Die deutschen Unternehmer sollten wieder selbständig und unbeeindruckt von der Regierung entscheiden.“

EIKE – Habeck im Wasserstoffdelirium: „Da gibt es ein paar kleine physikalische Hürden, die Wirkungsgrad heißen. Und die lassen sich weder durch grünen Parteitagsbeschluss noch durch eine deutsche Wasserstoffstrategie aufheben oder umgehen. Aus vier Kilowattstunden Windstrom entsteht über die Wasserstofferzeugung, den Transport und die Wiederverwandlung in den Strom der grünen „all electric society“ maximal eine Kilowattstunde Grünstrom. Ein Wirkungsgrad von 25 Prozent gilt unter Ingenieuren als echt grottenschlecht. (…) Um ein Viertel des globalen Energiebedarfs mit Wasserstoff zu decken, bräuchte es für die Herstellung dieses Wasserstoffs mehr Strom, als alle Staaten der Welt derzeit zusammen produzieren. Und es wäre sehr teuer, hat das Forschungsinstitut Bloomberg NEF ausgerechnet [11 Bill. Dollar Investitition in Produktion und Speicherung].“

Institute for Policy Studies: Die Durchschnittsvergütung für US-Spitzenmanager wird im Jahr 2023 um 12,6% auf 16,3 Mio. Dollar ansteigen. Die Löhne mittlerer Arbeitnehmer stiegen nur um 4,1%. Die Hälfte der US-Vorstandsvorsitzenden verdient mindestens 196 Mal so viel wie der durchschnittliche Angestellte.

Tom McClellan: Der SP500 hat ein neues Allzeithoch erreicht, aber die Advance-Decline (A-D)-Linie der NYSE bestätigt dies nicht. Die kumulative tägliche A-D-Linie wird berechnet, indem die Anzahl der Aktien, die jeden Tag steigen (Advances) und die, die fallen (Declines), saldiert werden. Diese tägliche A-D-Differenz wird als "tägliche Breite" bezeichnet. Eine A-D-Linie ist eine laufende Auflistung aller früheren Daten und ändert sich jeden Tag um den Wert der täglichen Entwicklung.

Die meiste Zeit wird die A-D-Linie der NYSE die Kursentwicklung widerspiegeln. Das ist das normale Verhalten. In der Vergangenheit war eine bärische Divergenz, wie wir sie jetzt sehen, ein deutliches Zeichen für Probleme. Die meisten Kursindizes werden von den Aktien mit der größten Marktkapitalisierung dominiert, aber in der A-D-Linie hat jede Aktie die gleiche Stimme.

Das kann nützlich sein, denn wenn die Liquidität zu versiegen beginnt, sind in der Regel zuerst die Aktien mit geringerer Marktkapitalisierung betroffen. Diese geringe Liquidität wirkt sich schließlich auf die großen Aktien aus. Die A-D-Linie funktioniert also wie die Kanarienvögel in den Kohleminen von Newcastle vor 200 Jahren, die empfindlicher auf schlechte Gase reagieren und die Bergleute frühzeitig vor drohenden Problemen warnen.

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Und noch etwas: Es ist schwierig, die A-D-Daten zu manipulieren (es sei denn, man ist die Fed, die quantitative Lockerung betreibt), so Tom McClellan.

Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 5346,99 geschlossen, intraday hatte er ein neues Allzeithoch produziert. Die EMA50 notiert steigend bei 5205. Ein längerer oberer Docht zeigt, dass zu Handelsschluss Käufe ausblieben (Chartquelle).

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Machen wir es kurz: Bis herunter zum Pegel bei 5268 ist alles „Rauschen“. Bei 4893 kommt das 38er-Retracement des Aufwärtsimpulses von Anfang November bis Mitte Mai ins Spiel, die EMA200 (steigend) notiert knapp darunter. Der Aufwärtslücke vom 2. auf den 3. Mai von 5074 auf 5103 bleibt im weiteren Verlauf von entscheidender Bedeutung. An der Oberseite ist die (steile) Aufwärtslinie von Ende Mai zu beachten, der Index hat zuletzt genau hier geschlossen.

Die Marktindikatoren zeigen sich mit 29:0 leicht bullisch. Die Volumenverteilung im S&P 500 ist in Distribution. Das bedeutet nicht zwingend fallende Kurse, weist aber darauf hin, dass große Adressen verkaufen. Wenn Kleinanleger das Material gierig genug aufkaufen, können sich die Kurse halten – und es herrscht wieder Greed (Gier). Der TQUAL-Indikator, gebildet aus RSI, Stochastik und MACD internationaler Aktienindices gibt sich in der Tendenz nun gerade bärisch auf neutralem Niveau. Der Verlauf der Rendite von Ramsch-Anleihen reagiert stark auf geringe Bewegungen beim S&P 500 – ein Zeichen von „Nervosität“.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen zyklische Eigenschaften dominieren. Bärische Kursmuster nehmen ab, bullische zu. Die Bullen haben im kurzfristigen Bild die besseren Karten. Eine Extremsituation, die für eine stabile Wende sprechen würde, ist nicht erreicht. Es spricht viel für weitere „Erratik“. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 stellt „auf-, seitwärts“ in Aussicht mit Ziel 5400.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren, der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis, sowie der Rendite der Ramsch-Anleihen werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.

Mein in der Vorwoche favorisierter kurzfristiger Ausblick war falsch. Ich bleibe jedoch dabei, dass die übergeordnete Tendenz „abwärts“ gerichtet ist. Neue Rekordhochs in den großen Indices sind über den Sommer eher unwahrscheinlich. Viele Anleger, v.a. auch Kleinanleger (siehe auch Geldmarkt-Volumen oben!) sind unterinvestiert. Das wird vermutlich für anhaltend hohe Volatilität sorgen, weil zu spät Kommende auch gleichzeitig die unsichersten Kandidaten sind.

Die Veröffentlichung der US-Inflationsdaten für Mai, sowie die FOMC-Sitzung werden in der kommenden Woche die bestimmenden Ereignisse sein. Vermutlich setzt sich ein bullischer Bias kurzfristig weiter durch.

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