Ukraine: Eine direkte Beteiligung des Westens?

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in Usbekistan gab der russische Präsident Putin eine beunruhigende Erklärung zu den Plänen der NATO ab, der Ukraine zu erlauben, westliche Langstreckenwaffen auf Ziele innerhalb Russlands abzufeuern.

Putin beschrieb sehr detailliert, wie die Systeme funktionieren und legte dar, dass sie zum Betrieb eine direkte Beteiligung von Vertragspartnern aus dem Herkunftsland erfordern.

Er sagte unter anderem: „Wenn der NATO-Generalsekretär davon spricht, das russische Territorium mit Präzisionswaffen mit großer Reichweite anzugreifen, dann sollte er als Leiter einer militärisch-politischen Organisation wissen, dass Präzisionswaffen mit großer Reichweite nicht ohne weltraumgestützte Aufklärung eingesetzt werden können. Das ist mein erster Punkt.

Mein zweiter Punkt ist, dass die endgültige Zielwahl und der so genannte Abschussauftrag nur von hochqualifizierten Spezialisten vorgenommen werden kann, die sich auf diese Aufklärungsdaten stützen. Bei einigen Angriffssystemen, wie Storm Shadow, können diese Startmissionen automatisch durchgeführt werden, ohne dass ukrainisches Militär eingesetzt werden muss. Wer macht das? Diejenigen, die diese Angriffssysteme herstellen und diejenigen, die sie angeblich an die Ukraine liefern, tun es. Dies kann und wird ohne die Beteiligung des ukrainischen Militärs geschehen.

Der Start anderer Systeme, wie z. B. ATACMS, beruht ebenfalls auf Weltraumaufklärungsdaten, die Ziele werden identifiziert und automatisch an die entsprechenden Besatzungen übermittelt, die möglicherweise nicht einmal wissen, was genau sie da tun. Eine Besatzung, vielleicht sogar eine ukrainische Besatzung, gibt dann den entsprechenden Startauftrag ein. Allerdings wird die Mission von Vertretern der NATO-Länder zusammengestellt, nicht vom ukrainischen Militär."

Zusammengefasst behauptet Putin also:
(1) Die Langstrecken-Präzisionswaffen (Raketen) werden von den NATO-Ländern bereitgestellt
(2) Die Langstrecken-Präzisionswaffen werden von Experten oder Auftragnehmern aus dem Herkunftsland bemannt
(3) Die Langstrecken-Präzisionswaffen müssen mit Weltraumaufklärungsdaten der USA oder der NATO verknüpft werden
(4) Die Ziele in Russland werden ebenfalls durch Weltraumaufklärungsdaten aus den USA oder der NATO bereitgestellt.

Worauf Putin hinaus will, ist, dass seiner Ansicht nach der mögliche Abschuss von Langstrecken-Präzisionswaffen auf Ziele in Russland eine Operation der NATO und der USA ist. Es sollte also keine Verwirrung darüber herrschen, wer die Verantwortung trägt. Er machte auch deutlich, dass Russland auf diese Angriffe reagieren werde und dass die Länder, die die Waffensysteme zur Verfügung stellen, zur Verantwortung gezogen würden.

Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, drückte sich auf seinem Telegramm-Kanal weniger diplomatisch aus und wies darauf hin, dass die Teilnahme von NATO-Spezialisten als Casus Belli angesehen werden könnte. NATO-Länder, die Angriffe mit ihren Waffen auf russisches Territorium genehmigt haben, sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihre Ausrüstung und ihre Spezialisten nicht nur in der Ukraine, sondern auch an jedem anderen Ort, von dem aus russisches Territorium angegriffen wird, vernichtet werden. Er fügte hinzu, dass Moskau davon ausgehe, dass alle an die Ukraine gelieferten Langstreckenwaffen bereits jetzt „direkt von Soldaten aus NATO-Ländern bedient werden", was einer Beteiligung am Krieg gegen Russland gleichkomme und ein Grund sei, Kampfhandlungen einzuleiten.

Nicht auszuschließen, dass Washington den Krieg tatsächlich ausweiten will, obwohl dabei Städte in Osteuropa eingeäschert werden könnten. In Washington gibt es einflussreiche Kräfte, die den Einsatz von Atomwaffen unterstützen (siehe z.B. hier!). Haben die USA durch ihre Nuclear Posture Review 2022 den offensiven Einsatz von Atomwaffen nicht zu einem gerechtfertigten Verteidigungsakt umdeklariert? Ja, das haben sie.

Die USA und Deutschland haben ihre Erlaubnis, mit den gelieferten Waffen Ziele innerhalb von Russland zu attackieren, eingeschränkt. Russisches Gebiet darf gegenwärtig nur von einem Bereich um Charkiw im Nord-Osten herum aus angegriffen werden. Zur Begründung wird gesagt, Russland nutze die Grenznähe der Kampfzone aus, um ukrainische Ziele von der Oblast Belgorod aus mit Drohnen zu attackieren.

Wenn das so ist, wie Putin darstellt, dass nämlich für die infrage kommenden Waffen westliche Spezialisten und westliche Infrastruktur erforderlich sind, dann ändert diese Einschränkung nichts Grundsätzliches: Der Westen wäre direkt in Kampfhandlungen gegen Russland einbezogen, er würde zur Kriegspartei. Ob bei der Operation westliche Kräfte vor Ort in der Ukraine oder weitab in westlichen Ländern beteiligt sind, macht dabei keinen wesentlichen Unterschied.

Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an die Abhöraffaire, als hochrangige deutsche Soldaten darüber beraten haben, wie man die Beteiligung deutscher Spezialisten verschleiern kann, wenn Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert würden. Das unterstreicht Putins Darstellung.

Wenn Russland nach einem Angriff mit solchen, letztlich vom Westen betriebenen Waffen auf Ziele in Russland einen Vergeltungsschlag auf Stellungen in Nato-Ländern ausführt, von denen aus die Lenkwaffen gesteuert worden sind, dann würde Artikel fünf im Nato-Vertrag greifen, wonach die Bündnispartner verpflichtet sind, jede Form der Hilfe leisten, die sie für erforderlich halten, um auf die entsprechende Situation zu reagieren.

Die Gefahr einer Eskalation in Richtung Weltkrieg und damit auch die eines Atomschlags nimmt weiter zu. Oder glauben die Regierungen der USA und der Nato-Länder, dass Russland nicht reagieren würde? Mir kommt das böse Wort „Provokation" in den Sinn…

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle]

Nachtrag
(2.6.24) Ist das die Antwort des Westens auf Putins Friedens-Plan?
Siehe auch „Infosperber: «Die USA und die NATO haben Russland zum Angriff provoziert»"

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