Zwei neue beste Freunde

Die Welt hat zwei neue beste Freunde. Am Montag kam es nach der Sitzung der Eurogruppe und des IWF zu einem kleinen Eklat. Es ging (wieder einmal) um Griechenland. Eurogruppen-Chef „wenn es ernst wird, muss man lügen“-Juncker, behauptete vor der Presse, man hätte sich darauf geeinigt, die Frist zur Erreichung einer tragfähigen Verschuldung für das Land auf 2022 zu verlängern, die IWF-Chefin Lagarde widersprach: Es bleibt bei 2020.

Dissens innerhalb der Troika ist nicht ungewöhnlich, ungewöhnlich ist, dass er mittlerweile öffentlich ausgetragen wird. Er dürfte Ausdruck sein, dass IWF und Eurozone, bzw. die EU zunehmend unterschiedliche Auffassungen zu wichtigen Themen entwickeln – zuletzt aufgefallen ist das beim Multiplikator-Thema.

Was hat das Eurogruppen-Treffen an Substanziellem ergeben? Griechenland soll zwei Jahre mehr Zeit bekommen, seine Lage in den Griff zu bekommen. Im Gegenzug muss das Land in 2015 und 2016 zusätzliche 4 Mrd. Euro einsparen. Es gibt keinen Konsens, wie die zusätzlichen zwei Jahre finanziert werden sollen, die nächste Hilfstranche ist noch nicht frei gegeben – Entscheidung verschoben auf den 20. November.

Ob vorgesehen wird, dass Griechenland 2020 oder 2022 auf eine als tragfähig angesehene Schuldenquote von 120% kommt, ist im Grunde ein lächerlicher Dissens. Entscheidend ist, dass der IWF auf einen Schuldenschnitt von 50% bei den öffentlichen Kreditgebern (official-sector involvement – OSI) drängt. Die Eurogruppe, allen voran Deutschland und Frankreich, will genau das aber nicht.

Dabei weiß jeder, der in Brüssel und Berlin mit den Vorgängen vertraut ist, dass ein OSI die notwendige Bedingung dafür ist, dass Griechenland seine Ziele erreichen kann. In diesem Sinne hatte sich kürzlich auch der Ex-Chef der Deutschen Bank, Ackermann, geäußert, der einst an den Verhandlungen mit der griechischen Seite beteiligt war.

Ein 50%-iger OSI würde den deutschen Steuerzahler 17,5 Mrd. Euro kosten, 10 Mrd. Euro Verlustanteil aus der ESFS und 7,5 Mrd. Euro als Haircut eines KfW-Kredits im Rahmen des ersten multilateralen Kredit-Programms. Dann ist auch sicher, dass die deutsche Regierung ihr Ziel verfehlt, in 2014 ein strukturell ausgeglichenes Budget zu erreichen.

Statt den Tatsachen ins Auge zu sehen, arbeitet man an „Lösungen“, wie die zwischen 30 und 40 Mrd. Euro teure Fristen-Verlängerung für Griechenland ohne zusätzliches Geld finanziert werden kann. Waghalsige Konstruktionen werden da gehandelt, plausibel sind sie alle nicht – Zeit ist Geld. Jetzt hat Schäuble vorgeschlagen, die ausstehenden drei Kredit-Tranchen für dieses Jahr zu bündeln in eine Zahlung von 45 Mrd. Euro – aber nur dann, wenn gleichzeitig effektive Kontrollen eingerichtet werden, etwa ein Sperr-Konto.

Die unmittelbar drohende Pleite Griechenlands scheint erst einmal abgewendet: Für die am 16. November fällige Rückzahlung von Schulden (TBills) über insgesamt 5 Mrd. Euro hat man die Mittel zusammengekratzt.

Mit verbalen Pirouetten will Schäuble die Tatsache vernebeln, dass die Nibelungentreue zu Griechenland einen Preis hat – und zwar einen, der von den Steuerzahlern zu entrichten ist, schreibt Werner Mussler in der FAZ. Und weiter: „Die europäischen Politiker wollen die griechische Staatsschuld abermals ein wenig schönrechnen – in der Hoffnung, dass sich das nächste Loch erst nach dem nächsten Wahltermin auftut. Und sie wollen die öffentliche Beteiligung an der Umschuldung möglichst kunstvoll verschleiern.“

Da bleibt nicht nur beim Thema Griechenland die Frage: Lügt die Politik bewusst oder sind die Beteiligten zu dumm oder was steckt dahinter? Dieser Herr Juncker hatte einmal das Wort geprägt: „Wir wissen alle, was zu tun ist, aber wir wissen nicht, wie wir danach wieder gewählt werden können.“ Vielleicht ist es das. Auch das.

Der Fisch fängt vom Kopf zu stinken an.

Wenn kein Weg an einem OSI vorbeiführt, dann wird jeder Tag, an dem man ihn nicht durchführt, ein verdammt teurer Tag. Der Steuerzahler bezahlt dafür zusätzlich – eine Wahlkampfspende der besonderen Art.

Nachtrag:
(20.11.12) Im Artikel "Euro-Finanzminister hoffen auf ein Wunder – oder: Der (politische) Zweck heiligt die Mittel" wird nachgerechnet: Eine griechische Schuldenquote von 120% in 2020 oder 2022 ist ohne Schuldenschnitt unrealistisch. Der Verfasser schreibt: "Es wird daher Zeit, dass sich die Politik nicht länger hinter Wunschdenken verschanzt, sondern die ökonomischen Realitäten akzeptiert und auch der Öffentlichkeit gegenüber zugibt."

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